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Vortrag zum Andreastag

Auf Einladung des Geschichts- und Heimatvereins kam Frau Dr. Stückrad am 23. November ins Rothensteiner Sängerheim und referierte sehr informativ und gleichzeitig unterhaltsam vor zahlreichen interessierten Gästen zu den Andreasbräuchen im deutschsprachigen Raum und besonders in unserer Region rund um Jena. Eine Woche vor dem Andreastag am 30. November war der Termin gut gewählt und inspirierte anschließend noch eine lebhafte Diskussion zur Frage, ob der dörfliche Andreasbrauch, nach dem Kinder am Abend von Tür zu Tür gehen, heute noch bekannt ist und wie er eventuell auch zu beleben wäre.

Kreuzigung des Heiligen Andreas:

commons.wikimedia.org/wiki/File:Martyrdom_of_andrew.jpg

In ihrem Vortrag ging Frau Stückrad zunächst auf den heiligen Andreas ein, nach dem ja der Tag benannt wurde. Er ist aus der Bibel bekannt als ein Fischer, der zusammen mit seinem Bruder Simon Petrus von Jesus Christus zum Jünger berufen wurde. Er starb der Legende nach als Märtyrer auf einem schrägen Kreuz, das heute unter dem Namen „Andreaskreuz“ gerne zur Gefahrenabwehr gezeigt wird, so an Bahnübergängen oder auch im „Union Jack“, der Flagge des Vereinten Königreichs. Verbunden mit der hohen Bekanntheit und Beliebtheit dieses Heiligen entwickelten sich viele Bräuche, die teilweise auch heute noch lebendig sind. Der Andreastag – oder noch mehr die Andreasnacht – gab Anlass zum:

  • Orakeln
  • Heischen (Betteln)
  • und für magische Praktiken

Bei den Orakeln ging es beispielsweise um den Glauben, dass Jungfrauen in der Nacht ihren zukünftigen Bräutigam sehen konnten. Beim Heischen ging es darum Almosen zu erbitten. Nach dem Ende des bäuerlichen Arbeitsjahres, in vielen Gegenden also nach dem Martinstag, war oft etwas mehr Geld in den Taschen und auch genügend Vorräte in der Kammer, sodass Bettler, die von Haus zu Haus gingen wohl bessere Chancen hatten, als zu anderen Zeiten. In Rothenstein und Oelknitz bestand der Brauch zuletzt darin, dass die kleineren Kinder, meist verkleidet als Könige, von Haustür zu Haustür gingen, um süße Gaben zu erbitten und dafür einen Spruch aufzusagen.

Wie alt die Bräuche zum Andreastag wirklich sind und wie veränderlich sie dabei waren, lässt sich laut Frau Stückrad nicht mehr sicher ermitteln. Bräuche sind oft viel dynamischer und veränderbarer als man gemeinhin denkt, sie spiegeln dabei meist soziale Bedingungen und Bedürfnisse und unterliegen immer auch Moden. Oft wurden Bräuche auch gezielt beeinflusst oder in gewünschte Bahnen gelenkt durch Kirche und Obrigkeiten. Man kann dabei die Definition von Brauch nach Frau Stückrad auf den einfachen Nenner bringen: „Brauch ist was gebraucht wird“.

Offenbar werden auch heute noch Bräuche gebraucht und geliebt, denn alle Besucher des Abends konnten bestätigen, dass in diesem Jahr ungewöhnlich viele Kinder zum Halloween-Abend durchs Dorf gezogen sind. Vielleicht steht ja dabei auch gar nicht im Mittelpunkt, dass süße Dinge wirklich gebraucht werden, sondern eher ein Wunsch nach etwas Spannung – beim Klingeln an fremden Türen. Vielleicht schwingt auch immer ein Wunsch nach Gemeinschaft mit, wenn man in Gruppen durch die Nachbarschaft zieht und beschenkt wird. Am Ende des Abends war man sich einig in der Hoffnung, dass vielleicht neben dem aktuell beliebten Halloween-Brauch auch der alte, lokale Brauch des Andreastages weiterbestehen möge und wieder mehr Kinder mit ihrem Spruch am 30. November in der Dämmerung durch die Dörfer gehen. Dann sollte natürlich auch jede und jeder bereits sein, die Tür zu öffnen und für die kleinen, mutigen Könige eine Belohnung im Haus zu haben. Es konnte übrigens nicht geklärt werden, warum sich die „kleinen Andreasse“ eigentlich meist als Könige verkleiden. Eine Idee war, dass der Reiz vielleicht in der Umkehrung des Normalen liegt; mal ein Abend, an dem man nicht nur klein ist und vieles befolgen muss, sondern König oder Königin sein kann und sich beschenken und huldigen zu lassen.

Dr. J. Stückrad

Frau Dr. Juliane Stückrad ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle im Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden. Diese außeruniversitäre Service- und Forschungseinrichtung berät Heimatforscher und volkskundlich interessierte Personen oder Institutionen im Freistaat Thüringen. Die Mitarbeiterinnen betreiben auch eigene volkskundliche Forschung und betreuen eine Bibliothek mit volkskundlicher und regionalbezogener Literatur. Die Beratungsstelle versteht sich mit ihrer Arbeit als Schnittschnelle zwischen Wissenschaft und praktischer Umsetzung.

Weitere Informationen finden Sie hier:

Volkskundliche Beratung Hohenfelden

Brauch-Wiki zum Andreastag

 

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